J. Werner Theunert

Rechtsanwalt

aktuelles zum Sozialversicherungsrecht:


Vorstandsmitglieder einer AG fallen nicht unter den Schutz der Arbeitslosenversicherung

Vorstandsmitglieder einer AG haben keinen Anspruch auf eine freiwillige (Weiter-)Versicherung in der Arbeitslosenversicherung. Das gilt unabhängig
von der Größe der AG, da der Gesetzgeber diesen Personenkreis in den §§ 28a Abs.1 S.2 Nr.3, 27 SGB III ausdrücklich vom Schutz der Arbeitslosenversicherung ausgenommen und dabei nur auf die Rechtsform der Gesellschaft und nicht auf ihre Größe und Finanzkraft abgestellt hat. Der Sachverhalt: Der Kläger war zunächst mehrere Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt, bevor er zum Vorstand einer AG bestellt wurde. Er
beantragte bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Die Beklagte lehnte den
Antrag unter Verweis auf die §§ 28a Abs.1 S.2 Nr.3, 27 SGB III ab.

Nach § 28a Abs.1 S.2 Nr.3 SGB III setzt die freiwillige Weiterversicherung voraus, dass keine anderweitige Versicherungspflicht besteht. Insoweit
verweist die Vorschrift auf § 27 SGB III, der die Versicherungsfreiheit bestimmter Personengruppen regelt. Versicherungsfrei sind danach unter anderem Mitglieder des Vorstands einer AG.

Der Kläger machte geltend, dass es sich bei der Verweisung auf § 27 SGB III um ein gesetzgeberisches Versehen handele, da die Vorschrift gerade nicht
eine „anderweitige Versicherungspflicht“, sondern die Versicherungsfreiheit regele. Im Übrigen handele es sich bei seinem Arbeitgeber praktisch um eine „Ich-AG“, deren Vorstandsmitglieder anders als die großer AGs in den Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung fallen müssten.

Die Klage hatte vor dem SG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da der Kläger Berufung eingelegt hat. Die Gründe: Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung zu Recht abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die gesetzliche Regelung in den §§ 28a Abs.1 S.2 Nr.3, 27 SGB III weder in sich widersprüchlich, noch stellt der Verweis auf § 27 SGB III ein
gesetzgeberisches Versehen dar. Die Auslegung der Normen ergibt vielmehr, dass Vorstandsmitglieder grundsätzlich weisungsabhängig beschäftigt und
damit versicherungspflichtig sind, während Mitglieder des Vorstands einer AG eine Ausnahme bilden. Diese Personengruppe soll nach der gesetzgeberischen Intention wegen ihres regelmäßig hohen Einkommens nicht in den Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung fallen. Die gesetzliche Regelung in § 27 Abs.1 Nr. 5 SGB III lässt auch keine Ausnahmen für Vorstandsmitglieder von kleinen oder nicht so finanzkräftigen AGs zu, sondern stellt bewusst nur auf die Rechtsform der Gesellschaft ab.

SG Düsseldorf 27.9.2007, S 25 AL 134/06

Quelle: SG Düsseldorf PM vom 26.11.2007

Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge in der Krankenversicherung der Rentner verfassungsgemäß

Die Krankenversicherung der Rentner wird unter anderem durch Beiträge finanziert, die der Versicherte zu tragen hat. Neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen insbesondere die der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht. Die Beitragshöhe bestimmt sich bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem vollen Beitragssatz. Allerdings wird die Hälfte ihres Beitrages vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Für Versorgungsbezüge hingegen wurde bis Ende 2003 nur der halbe Beitragssatz erhoben; diesen hatten die Versorgungsempfänger alleine zu tragen. Aufgrund einer Rechtsänderung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist ab 2004 nun auch für Versorgungsbezüge der volle Beitragssatz zu entrichten. Dies hat zu einer Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge geführt.

Die sechs Beschwerdeführer sind als Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Neben der Rente beziehen sie Versorgungsbezüge, auf die ab 2004 durch die Krankenkassen Beiträge nach dem vollen Beitragssatz erhoben wurden. Ihre Klage gegen die Verdoppelung der Beitragslast blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Als Teil eines Maßnahmekatalogs zur Erhaltung der Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Verdoppelung der Beitragslast verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dem Nichtannahmebeschluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1.               Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Auf der Ebene des Beitragssatzes hat das Gesetz nicht eine Ungleichbehandlung
              eingeführt, sondern eine bis dahin bestehende Ungleichbehandlung beseitigt, welche die Empfänger von Versorgungsbezügen im
               Vergleich zu den Beziehern einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung begünstigte. Denn Rentenbezieher mussten auch schon
               vor dem 1. Januar 2004 Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz entrichten. Eine Ungleichbehandlung erfahren die Empfänger von
              Versorgungsbezügen erst auf der Ebene der Beitragslast, da bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
              beziehen, der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der Beiträge übernimmt. Demgegenüber trägt der Bezieher von Versorgungsbezügen die
              Beiträge allein. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, die Versorgungsträger ebenso wie die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an der
              Beitragslast zu beteiligen. Der Anspruch des Rentners, vom Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung einen Zuschuss zu erhalten, ist
              legitimiert, weil er letztlich auf Eigenleistungen des Versicherten in Form von Rentenversicherungsbeiträgen beruht, mit denen er nicht nur den
              Rentenanspruch, sondern auch den Krankenversicherungsschutz mitfinanziert. Demgegenüber widerspräche es dem Verantwortungsprinzip,
              Versorgungswerke und Zahlstellen unterschiedlichster Art, welche ihren Versicherten eine zusätzliche Altersabsicherung anbieten, für die
              Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner in die Pflicht zu nehmen.

2.               Die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Maßnahme war zur Deckung einer
              zunehmenden Finanzierungslücke, deren Ursache der medizinische Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen ist, erforderlich.
              Deckten 1973 die Beitragszahlungen der Rentner noch 70% deren Leistungsaufwendungen, liegt diese Quote zwischenzeitlich nur noch bei
               43%. Der Gesetzgeber erwartete aus der zusätzlichen Belastung der Versorgungsbezüge Mehreinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Die
               damit verbundene Mehrbelastung war für die betroffenen Rentner zumutbar. Versorgungsbezüge machen regelmäßig nur einen geringen Teil der
               Alterseinkünfte aus. Selbst wenn in Einzelfällen die Versorgungsbezüge die anderen Einkünfte übersteigen, hat die Beitragsmehrbelastung keine
               grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse im Sinne einer erdrosselnden Wirkung.

3.               Die Verdoppelung der Beitragslast verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das System der gesetzlichen
              Krankenversicherung steht bereits seit langem unter erheblichem Kostendruck. Angesichts der vielfältigen Bemühungen des Gesetzgebers in den
               vergangenen Jahren, sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Ausgabenseite auf Gefährdungen des Systems zu reagieren, konnten die
               Versicherten in den Fortbestand privilegierender Regelungen nicht uneingeschränkt vertrauen. Zudem muss das mit der Regelung verfolgte
               Gemeinwohlziel der Erhaltung der Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als gewichtiger angesehen werden.


Bundesverfassungsgericht - Pressestelle - Pressemitteilung Nr. 47/2008 vom 4. April 2008 Beschluss vom 28. Februar 2008 – 1 BvR 2137/06 –

Stand: 11.08.2009

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